Für fachlich Interessierte

Von Mai 2013 bis April 2016 hat PAPATYA im Rahmen einer Förderung von „Aktion Mensch” die Koordinierungsstelle gegen Verschleppung und Zwangsverheiratung aufgebaut. Seit September 2017 führen wir unsere Beratungsarbeit im Rahmen des Projekts „SHEROES – gemeinsam mit Betroffenen gegen Gewalt im Namen der Ehre“ aus Mitteln des Bundesprogrammes „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fort. Ab 2020 geht das Beratungsangebot in Fällen von Verschleppung in das Angebot unserer Onlineberatung SIBEL über und wird aus Mitteln des Berliner Senats gefördert.

Die Koordinierungsstelle gegen Verschleppung und Zwangsverheiratung ist erreichbar unter: verschleppung@papatya.org

Im Dezember 2015 veröffentlichte die Koordinierungsstelle eine ausführliche Informationsbroschüre, in der Sie fachliche Informationen zu den wichtigstenen Aspekten von Verschleppung und eine Auswertung unserer Erfahrungen aus zwei Jahren Koordinierungsstelle finden. Broschüre

Die Koordinierungsstelle entstand aus den Erfahrungen, die wir in unserer anonymen Kriseneinrichtung PAPATYA und unserer Online-Beratung SIBEL zum Schutz von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund machten. Seit knapp 30 Jahren unterstützen wir in einem Team von türkischen, kurdischen und deutschen Sozialpädagoginnen und einer Psychologin Mädchen und junge Frauen, die unter Gewalt im Namen der Ehre, Zwangsverheiratung und/oder Verschleppung ins Herkunftsland der Eltern leiden. In unserer Kriseneinrichtung PAPATYA haben schon mehr als 1800 Mädchen und junge Frauen einen sicheren Zufluchtsort gefunden. Darüber hinaus beraten wir jährlich mehr als 600 von familiärer Gewalt Betroffene am Telefon oder im Internet über unsere Online-Beratung SIBEL.

Viele der Mädchen und jungen Frauen, die sich an uns wenden, befürchten, ins Herkunftsland der Eltern verschleppt und dort zurückgelassen zu werden, wenn sie sich gegen die Heiratsabsichten ihrer Familie zur Wehr setzen oder die Familie erfährt, dass sie einen heimlichen Freund haben. Wenn sie erst einmal in der Türkei, im Irak, im Libanon oder einem anderen Land sind, meist ohne Pass und ohne Handy, sind sie ihrer Familie schutzlos ausgeliefert und können sich nur schwer dagegen wehren, einen ungeliebten fremden Mann zu heiraten. Hilfe ist in dieser Situation nur schwer zu finden. Umso wichtiger ist es, präventiv zu arbeiten und die Verschleppung ins Herkunftsland der Eltern zu verhüten. Betroffen sind zumeist Mädchen mit Migrationshintergrund ab der Pubertät, überwiegend im Alter zwischen 14 und 21 Jahren, unabhängig davon, ob sie einen deutschen oder ausländischen Pass haben.

Die Koordinierungsstelle gegen Verschleppung und Zwangsverheiratung ist erstmalig eine zentrale Anlaufstelle die überregional Hilfe anbietet.

Die Schwerpunkte der Arbeit der Koordinierungsstelle:

  • Prävention – Die Koordinierungsstelle macht im Rahmen von Schulungen und Veranstaltungen auf Verschleppung aufmerksam. Mädchen und jungen Frauen, die diesbezüglich Befürchtungen haben, wird spezialisierte Beratung zur Abwägung von Risikofaktoren sowie der Verhinderung einer Abreise angeboten. Durch Informationsmaterialien und eine Website rückt die Koordinierungsstelle die Gefahr von Verschleppung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der potentiell Betroffenen.
  • Hilfe und Koordinierung bei Verschleppung – In konkreten Verschleppungsfällen bietet die Koordinierungsstelle spezialisierte Beratung zur Auslotung von Rückführungsmöglichkeiten. Dazu arbeiten wir eng mit Behörden, Anwält/-innen und Hilfsorganisationen in Deutschland, Europa und den Herkunftsländern der von Verschleppung betroffenen Mädchen und jungen Frauen zusammen und profitieren von unseren langjährigen Kontakten. Betroffene Mädchen und junge Frauen können über unsere Online-Beratung SIBEL direkt per E-Mail Kontakt zu uns aufnehmen, egal an welchem Ort und zu welcher Uhrzeit. Dadurch ist es uns in Einzelfällen in der Vergangenheit schon gelungen, einen Weg zur Rückkehr zu finden. Auch Freunde, Freundinnen, Lehrer/-innen und andere Helfer/-innen können sich Rat suchend an uns wenden.
  • Hilfe nach der Rückkehr – Durch die enge Verknüpfung mit der Kriseneinrichtung PAPATYA verfügt die Koordinierungsstelle über langjährige Erfahrung auch in Bezug auf die psychische Zwangslage Betroffener und ihre Gefährdung nach einer Rückkehr nach Deutschland. Die Koordinierungsstelle ist bei der Suche nach einer adäquaten Lösung nach der Rückkehr behilflich und berät in Bezug auf Anonymisierung, Unterbringung und Schutz. Sie nimmt eine Risikoanalyse vor und kooperiert bei Bedarf mit der Polizei.
  • Ausbau von Hilfsmöglichkeiten – Verschleppung ist bisher nicht systematisch erfasst und dokumentiert worden, ein einheitlicher Begriff für die Problematik fehlt. Weder über Ausmaß noch über Formen ist über Einzelfälle hinaus viel bekannt, ein erhebliches Dunkelfeld ist zu vermuten. Erstmalig registriert die Koordinierungsstelle Fälle von Heiratsverschleppung und klärt über die Problematik von Verschleppung auf. Der rechtliche Handlungsspielraum in Fällen von Verschleppung wird erfasst, Ziel dabei ist, Hilfsmöglichkeiten zu erweitern.

Das Angebot der Onlineberatung SIBEL

Umfassende Informationen über die Arbeit der Onlineberatung finden Sie in der Konzeption der Onlineberatung SIBEL

Die Onlineberatung SIBEL wird seit 2004 in den Räumen der anonymen Kriseneinrichtung PAPATYA betrieben. Die Kriseneinrichtung schützt Mädchen und junge Frauen, die unter Kontrolle und Gewalt im Namen der sogenannten „Ehre“, Zwangsverheiratung oder Verschleppung ins Herkunftsland der Familie leiden. In über 30 Jahren konnten 1800 Mädchen und junge Frauen bei PAPATYA Unterstützung finden. Darüber hinaus werden jährlich über 600 Betroffene am Telefon oder per Email beraten.

Die Onlineberatung steht rund um die Uhr zur Verfügung und wird von einem professionellen Team aus türkisch-, kurdisch- und deutschsprachigen Sozialpädagoginnen und einer Psychologin betreut.

Über die Onlineberatung haben Betroffene einen niedrigschwelligen und anonymen Zugang zu Hilfsmöglichkeiten. Sie können sich unverbindlich nach außen wenden und selbst bestimmen, wie sie den Kontakt gestalten. Etwa Dreiviertel der hilfesuchenden Betroffenen geben an, dies sei ihr erster Kontakt zum Hilfesystem. Die immer gegebene Erreichbarkeit sowie die Anonymität der Onlineberatung sind dabei die wichtigsten „Schwellensenker“.

Anfragen kommen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus dem Ausland. Gerade für Mädchen und junge Frauen, die gegen ihren Willen im Herkunftsland der Familie zurückgelassen werden, ist das Internet die einzige Möglichkeit, auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Ihre Anfragen haben zur Gründung der Koordinierungsstelle gegen Verschleppung und Zwangsverheiratung im Jahr 2013 geführt.

Seit September 2017 wird die Arbeit der Onlineberatung SIBEL im Rahmen des Projekts „SHEROES – gemeinsam mit Betroffenen gegen Gewalt im Namen der Ehre“ mit Mitteln des Bundesprogrammes “Demokratie leben!” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Dadurch konnte die Onlineberatung SIBEL ihren Fokus auf zwei weitere Zielgruppen richten, die ebenfalls unter familiärer Gewalt leiden:

  • bedrohte LGBTI*Q, deren Familien ihre sexuelle Identität oder Orientierung nicht akzeptieren
  • bedrohte Paare, die sich aufgrund kultureller oder religiöser Wertvorstellungen ihrer Familien nicht lieben dürfen

Wie können Sie uns erreichen?

Mit ihrer E-Mail-Adresse erreichen Sie die Onlineberatung SIBEL unter beratung@papatya.org oder über unser Kontaktformular.

Alternativ können Sie sich einen sicheren Account auf der Beratungsplattform Beranet anlegen.

 

An wen richtet sich die Onlineberatung SIBEL?

  • Mädchen, junge Frauen, LGBTI*Q und Paare, die Probleme mit ihren Familien haben
    Die Beratung richtet sich in erster Linie an Betroffene von Zwangsverheiratung, familiären Konflikten, Kontrolle, Bedrohung, Gewalt oder Verschleppung. Sie werden häufig rund um die Uhr von ihren Familien kontrolliert und in ihrer Bewegungsfreiheit und ihren Beziehungen eingeschränkt. Sie dürfen die Wohnung nur zum Schulbesuch oder gemeinsam mit Familienmitgliedern verlassen. Sie dürfen kein Handy haben oder ihre Gesprächsverläufe werden kontrolliert. Der Zugang zu Beratungsstellen ist ihnen meist versperrt, außerdem müssen sie befürchten, dass sich ihre Situation verschlimmert, wenn ihrer Familie bekannt wird, dass sie Hilfe suchen.
  • Professionell und privat Helfende
    Auch Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, privat Helfende wie Freund*innen oder Partner*innen können die Onlineberatung SIBEL in Anspruch nehmen. Professionell Helfende werden kollegial beraten. Sie werden in ihrer interkulturellen Beratungskompetenz gestärkt und erhalten Informationen über spezifische Unterstützungsmöglichkeiten wie z.B. Auskunftssperren und Anonymisierung. Private Helfende werden je nach Anliegen beraten. Manchmal vermitteln sie die Nöte der Betroffenen, die sich selbst nicht melden können. Teilweise haben sie aber auch eigene Themen, z.B. als von der Familie nicht akzeptierter Partner oder Partnerin.

Wie arbeitet die Onlineberatung SIBEL?

  • Auf eine Anfrage reagieren die Beraterinnen kurzfristig, spätestens aber nach 72 Stunden.
  • Die Betroffenen werden über ihre Rechte informiert und dabei unterstützt, verschiedene Handlungsoptionen und deren Folgen durchzuspielen. Sie bekommen Hinweise, wie sie ihre Sicherheit erhöhen können.
  • Die Beraterinnen verschiedener Herkunft sind erfahrene Mitarbeiterinnen der Kriseneinrichtung PAPATYA und können bei Bedarf auch dorthin vermitteln. Sie haben gute Kenntnis der Problemlagen der Zielgruppe und kennen das bestehende Hilfesystem.
  • Frequenz und Dauer des Kontaktes werden entsprechend der Bedürfnisse der Betroffenen gestaltet. Das umfasst sowohl kurzfristige Krisenintervention als auch längerfristige Ambivalenzklärung. Nach Möglichkeit antwortet immer dieselbe Beraterin.
  • Die Beratung kann in den Sprachen Deutsch, Englisch oder Türkisch erfolgen.

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Du kannst das unten stehende Kontaktformular nutzen, um deine Fragen zu stellen und uns deine Situation zu schildern. Wir bemühen uns, dir so schnell wie möglich zu antworten. Das geht meistens innerhalb von 3 Tagen.

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